Sonntag, 6. April 2008

Ja zu Olympia

Versprochen ist versprochen, und gestern Nacht habe ich von tausenden emails geträumt, in denen man mich nach meiner Meinung zum Thema „Olympische Spiele in China – Tibet, der unterdrückte Freund aller“ gefragt hat. Wollen wir nun erst einmal die beiden gängigsten opponierenden Meinungen vergleichen um uns in Stimmung zu bringen.
Die einen sagen: "Ja, das mit den Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung ist ja wirklich nicht vertretbar, aber die Olympischen Spiele sind eben eine Sportveranstaltung, die nichts mit Politik zu tun haben. Daher sollte (etwas kausal-fatalistischer könnte man an der Stelle auch "kann" oder gar "darf" benutzen) man sie auch nicht als politisches Druckmittel einsetzen."
Die anderen sagen: "Jetzt aber flott - Olympiaboykott! Als die Russen Afghanistan überfallen haben, haben wir Moskau boykottiert. Warum sollten wir also China ihre Kippelei mit den friedliebenden Tibetern nachsehen?! Mal ganz abgesehen davon, dass China seine Bürger sowieso knechtet und brutal unterdrückt?"

Wer hier was befürwortet oder ablehnt, soll fürs erste der subjektiven Interpretation überlassen bleiben.
Fakt ist, beide Meinungen finden eine Menge Leute, die sie hinter sich scharen können, um ordentlich Stimmung gegen die anderen zu machen. Dabei hat keine der beiden Fronten weit genug gedacht! Boykottierte Olympische Spiele haben, wie wir seit 1980 wissen, die dumme Angewohnheit eben doch stattzufinden, ungeachtet der paar Miesepeter die sich dem sportlichen, gänzlich unpolitischen Spektakel verweigern. Da wird sich Vieles in der letzten Sekunde noch mal überlegt, und gute Vorsätze werden doch noch über den Haufen geworfen.
In Moskau waren 81 Nationen vertreten und das einzige westeuropäische Land, das den Spielen tatsächlich fern blieb war... Wer weiß es? Wer weiß es?
Wir - die Deutschen Querulanten.
Deutsche Sportler fühlten sich verarscht, als sie mitbekamen, dass ganz Europa nun doch in Moskau gegeneinander antrat. Dabei hat die Bundesregierung unter Schmidt, noch allen Sportlern versichert, dass ein ganzeuropäischer Boykott der Spiele vorteilhaft für den Frieden wäre.
Nun gut, für den Frieden in Afghanistan sorgten dann, mit gezielten Finanzspritzen, die Amerikaner - die zahlen dafür aber heute immer noch, mit Menschenleben - und Deutschland hatte nur ein enormes Defizit an Olympischen Medallien vorzuweisen, aber was wir daraus gelernt haben sollte doch ziemlich offensichtlich sein: Boykott der Spiele ist Unsinn, weil sowieso keiner hält was er verspricht. Ganz besonders Regierungen.

Was aber passiert, wenn wir unsere Topsportler nach China schicken, und sie dort ihr Ding machen, genauso wie die letzten Male in Sydney oder Athen? China (das in der Tat seine Bürger unterdrückt und Tibet weiterhin ins ungewollte Protektorat zwingt) wird die Spiele nehmen und sich ans Revers heften. Ich wage ernsthaft daran zu zweifeln, dass auch nur eine der sechs staatlichen Zeitungen in ihren Berichten erwähnen wird dass sich unsere liebe Angela aus Protestgründen geweigert hat der Eröffnungsparty beizuwohnen. An dieser Stelle muss man als wahrheitsliebender Mensch allerdings auch erwähnen, dass es, selbst wenn es gedruckt würde, mit größter Wahrscheinlichkeit den Durchschnittschinesen nicht kümmern dürfte. Eine Weiße mehr oder weniger... für die sehen wir eh alle gleich aus, sogar Angela fällt da nicht aus dem Bild.

Lassen wir diese Spötteleien, denn sie führen ja auch zu nichts.

Lohnt es sich denn überhaupt eine Position in diesem Gerangel um die olympischen Spiele zu beziehen? Ich denke nicht.
Es lohnt sich aber jederzeit, sich seine eigene Meinung zu bilden und auszusprechen. Wir haben das Glück in einer Gesellschaft zu leben, in der wir sagen dürfen was wir wollen ohne dafür ins Gefängnis zu müssen. Wir müssen nicht einmal nachdenken bevor wir den Mund aufmachen. Das kann selbstverständlich auch hierzulande zu Problemen führen, aber der Staat ist in dem Falle der letzte vor dem wir uns fürchten müssen.

Tibet helfen, kann nur, wer sich aktiv dafür einsetzt. Ein Boykott mag auf Anhieb erst einmal äußerst plakativ klingen. Wenn aber in Peking die Sportler der Welt miteinender wetteifern, wird niemand ernsthaft die eine oder andere Nation vermissen, die sich einem Boykott verschrieben hat. Wieso auch? Sind ja noch genug andere da, denen man zuschauen kann.

Wenn sich unser Land tatsächlich für Tibet, für Hu Jia, für die Menschenrechte oder die Freiheit des Einzelnen einsetzten möchte, dann doch bitte aktiv. Wir könnten unseren Sportlern eine traditionelle buddhistische Glatze rasieren – obwohl das zugegebenermaßen auch falsch verstanden werden kann. Aber Wir könnten unseren Ringern zum Beispiel schicke Tibetische Mönchsroben als Wettkampftrikots kaufen. Wir könnten „Free Tibet“ auf jeden Trainingsanzug drucken. Wir könnten nach China fahren um klare Informationen zu geben. Wegbleiben weil uns der Gastgeber oder sein Verhalten nicht passt ist doch langweilig und feige. Aber hingehen, ein paar Leuten auf die Füße treten, um 500 Millionen chinesischen Zuschauern auf die Sprünge zu helfen, das wär’ doch was, oder?

Und für alle Hardliner, die noch Spaß am sportlichen Wettkampf mit der Polizei haben, hier könnt Ihr die Route des olympischen Feuers sehen und eure Demos und Blockaden planen.
Falls euer Kurzzeitgedächtnis nicht mitkommt ist hier der Link noch einmal. Und die Version für Chinareisende und einheimische Aufrührer.

Danke, vielen Dank.

Z.Z.

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